Rassismus und Tierzucht: Ideologisierungen des Tierkörpers seit dem 19. Jahrhundert

Rassismus und Tierzucht: Ideologisierungen des Tierkörpers seit dem 19. Jahrhundert

Veranstalter
Historisches Kolleg München (PD Dr. Mieke Roscher)
Ausrichter
PD Dr. Mieke Roscher
Veranstaltungsort
Historisches Kolleg München, Kaulbachstraße 15
PLZ
80539
Ort
München
Land
Deutschland
Findet statt
In Präsenz
Vom - Bis
03.07.2024 - 05.07.2024
Deadline
15.12.2023
Von
Mieke Roscher, Geschichte der Tier-Mensch-Beziehungen (Human-Animal Studies), Universität Kassel

Rassismus und Tierzucht: Ideologisierungen des Tierkörpers seit dem 19. Jahrhundert

Der Workshop untersucht in historischer Perspektive durch Tierzucht erzeugte rassifizierte Praktiken, die sowohl Tiere als auch Menschen trafen, indem sie deren Fähigkeiten und Leistungen kategorisierten, qualifizierten und quantifizierten. Er möchte Forscher:innen zusammenbringen, die die Beziehung zwischen Tierzucht und Rassismus von 1800 bis zur Gegenwart aus verschiedenen räumlichen und zeitlichen Perspektiven untersuchen.

Breedism and Racism: The ideological use of the animal body since 1800

The workshop examines racialized practices generated by animal breeding that affected both animals and humans, categorizing, qualifying, and quantifying their abilities and performances. For this, the workshop wants to bring together researchers who look at the relationship between animal breeding and racism from 1800 to the present from different spatial and temporal perspectives.

Rassismus und Tierzucht: Ideologisierungen des Tierkörpers seit dem 19. Jahrhundert

Der Workshop untersucht in historischer Perspektive durch Tierzucht erzeugte rassifizierte Praktiken, die sowohl Tiere als auch Menschen trafen, indem sie deren Fähigkeiten und Leistungen kategorisierten, qualifizierten und quantifizierten. Hunde, Pferde und andere Spezies dienten als essentialisierte Marker für die Vorstellungen von „reinem Blut“ und der Verbindung zur „Heimat“, nicht nur während der Zeit des Nationalsozialismus. Im Verlauf des 19. Jahrhunderts, dem Jahrhundert, in dem die Tierzucht institutionalisiert wurde, fanden nationalistische Bestrebungen zunehmend eine Grundlage in den in der Tierwelt scheinbar beobachtbaren Verbesserungen durch rigorose Selektion. Insbesondere die Eugenik-Bewegung, die im frühen 20. Jahrhundert an Bedeutung gewann, basierte auf der Überzeugung, dass die menschliche „Rasse“ durch selektive Zucht verbessert werden könnte. Die Eugenik zielte darauf ab, die Fortpflanzung von Personen mit wünschenswerten Eigenschaften zu fördern, während sie die von Personen mit wahrgenommenen unerwünschten Eigenschaften unterdrückte oder verhinderte.

Die Verbindung zwischen (politischem) Rassismus und Zucht wurde erstmals 1992 von Enrique Ucelay da Cal thematisiert. Er zeigte auf, wie Genealogien verwendet wurden, um spezifische Tierarten zu schaffen, die dann mit einem bestimmten Ort in Verbindung gebracht werden sollten. Das Züchten angeblich „überlegener" Tiere zur Kontrolle angeblich „minderwertiger", als rassifiziert markierter Menschen, so da Cal, umfasst eine „absichtliche Verschleierung der Grenzen zwischen Mensch und Tier“ 1. Das rassifizierte/rassistische Paradigma war mit einer Vorstellung von Fähigkeit und Leistung verknüpft, die auch das „Andere“, das „Ausschließbare“, mit konstruierte.

Der Workshop möchte da Cals Analysen aufgreifen und erweitern, indem er theoretische Konzepte der historischen Tierstudien, der Geschlechterforschung, der Critical Race Studies sowie Ansätze aus der Wissenschafts-, Ideen- und Körpergeschichte nutzt. Er fragt danach, wie materiell-semiotische Knotenpunkte, die bestimmen, wie die Grenzen (zum Beispiel zwischen Mensch und Tier, aber auch zwischen „Rasse“ und „Breed“) durch soziale und körperliche Interaktionen gezogen und mit Bedeutung versehen werden. Die Zucht „überlegener“ Tiere wird im Workshop als performatives Werkzeug betrachtet, durch das semiotische Projektionen rassifizierter Unterschiede verfestigt und verkörpert wurden. Diese intersektionale Perspektive fragt danach, wie verschiedene Formen von Vorurteilen und Diskriminierung sich überschnitten und letztendlich die Erfahrungen und die Leben sowohl von Tieren als auch von marginalisierten menschlichen Gemeinschaften beeinflusst haben.
Des Weiteren wurde zuletzt in der englischen Sprache der Begriff „Breedism“ eingeführt, um Diskriminierung oder Vorurteile gegenüber bestimmten „Rassen“ oder Linien von Tieren, insbesondere Hunden, aufgrund gewisser Stereotype zu bezeichnen. Bestimmte „Rassen“ wie Pit Bulls, Rottweiler oder Dobermann Pinscher werden, oft aufgrund negativer Darstellungen in den Medien oder Annahmen über ihre Aggressivität, stigmatisiert. Rasse-spezifische Gesetzgebung, die den Besitz bestimmter „Rassen“ verbietet oder einschränkt, ist das Ergebnis einer solchen Stigmatisierung. Häufig richtet sich diese Gesetzgebung auch gegen die Besitzer:innen, die dann ebenfalls Ziel rassifizierter Vorurteile sind. Für Historiker:innen scheint es jedoch notwendig zu sein, die Tragfähigkeit von „Breedism“ im Hinblick auf vergangene Mensch-Tier-Beziehungen zu überprüfen.
Daher möchte der Workshop Forscher:innen zusammenbringen, die die Beziehung zwischen Tierzucht und Rassismus von 1800 bis zur Gegenwart aus verschiedenen räumlichen und zeitlichen Perspektiven untersuchen. Wir laden dafür Forscher:innen unterschiedlicher akademischer Hintergründe und Karrierestufen ein, 20-minütige Vorträge zu halten, die in einem Kolloquium diskutiert werden. Die Konferenzsprache wird Englisch sein. Die Ergebnisse dieses Workshops werden in der Schriftenreihe des Historischen Kollegs (https://www.degruyter.com/serial/shk-b/html) auf Deutsch veröffentlicht. Zur Teilnahme senden Sie bitte bis zum 15. Dezember 2023 ein einseitiges Abstract an Mieke Roscher (mieke.roscher@historischeskolleg.de) und Elisabeth Hüls (elisabeth.huels@historischeskolleg.de). Sie werden in der zweiten Woche des Januars 2024 darüber informiert, ob Ihr Vorschlag angenommen wurde.

Es stehen begrenzte Mittel für Reise- und Unterbringungskosten zur Verfügung, falls erforderlich.

1 Da Cal, Enrique Ucelay. 1992. “The Influence of Animal Breeding on Political Racism.” History of European Ideas 15 (4–6): 717–25.

Breedism and Racism: The ideological use of the animal body since 1800

The workshop examines racialized practices generated by animal breeding that affected both animals and humans, categorizing, qualifying, and quantifying their abilities and performances. Dogs, horses, and other species served as essentialized markers for the ideas of “pure blood” and the connection to a perceived “homeland”, not only during the era of National Socialism. Throughout the 19th century, the century in which animal breeding became institutionalized, nationalist aspirations increasingly found an animal foundation. The eugenics movement, in particular, which gained prominence in the early 20th century, was rooted in the belief that the human race could be improved by selective breeding. Eugenics aimed to promote the reproduction of individuals with desirable traits while discouraging or preventing those with perceived undesirable traits from reproducing.

The connection between (political) racism and breeding was first addressed by Enrique Ucelay da Cal in 1992. He demonstrated how genealogies were used to create specific types of animals that were then intended to be associated with a particular place. Breeding allegedly “superior” animals to control allegedly “inferior” humans marked as racialized, according to da Cal, involved an “intentional blurring of the boundaries between human and animal.”1 The racial/racist paradigm was linked to a notion of capability and performance, which also co-constructed the “other”, the “excludable”.

The workshop wants to pick up on da Cals analyses and widen it by using theoretical concepts of historical animal studies, gender studies, critical race studies as well as approaches offered by the history of science, ideas and the body. It asks how material-semiotic nodes, that determine how the boundaries (for example, between human and animal, but also between “race” and “breed”) are drawn and endowed with meaning through social and bodily interaction. Breeding "superior" animals is thus considered the performative tool through which semiotic projections of racial differences were solidified and embodied. This intersectional perspective seeks to understand how different forms of bias and prejudice overlapped, ultimately influencing the experiences of both animals and marginalized human communities.

Furthermore, in the English language, the term “breedism” has lately been introduced to refer to discrimination or prejudices against specific breeds or lines of animals, particularly dogs, based on stereotypes or misconceptions. Certain breeds, like Pit Bulls, Rottweilers, or Doberman Pinschers, have often been stigmatized due to negative portrayals in the media or assumptions about their aggressiveness. Breed-specific legislation, which bans or restricts ownership of certain breeds, is the result of such stigmatization. More often than not this legislation is also directed against their owners who are then also the target of racialized prejudices. For historians, however, it seems necessary to investigate the viability of this expression with regard to past human-animal relationships.

For this, the workshop wants to bring together researchers who look at the relationship between animal breeding and racism from 1800 to the present from different spatial and temporal perspectives on the question. It invites researchers from different academic backgrounds and career stages to give 20 minute papers that will be discussed in a colloquium. The conference language will be English. The results of this workshop will be published in the Schriftenreihe des Historischen Kollegs (https://www.degruyter.com/serial/shk-b/html) in German. To participate, please send a one page abstract to Mieke Roscher (mieke.roscher@historischeskolleg.de) and Elisabeth Hüls (elisabeth.huels@historischeskolleg.de) by December 15th 2023. You will be informed if your proposal has been accepted by the second week of January 2024.

There is limited funding for travel and accommodation available, if needed.

1 Da Cal, Enrique Ucelay. 1992. “The Influence of Animal Breeding on Political Racism.” History of European Ideas 15 (4–6): 717–25.

Kontakt

Mieke Roscher (mieke.roscher@historischeskolleg.de); Elisabeth Hüls (elisabeth.huels@historischeskolleg.de).

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Sprach(en) der Veranstaltung
Englisch
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